Es ist eine Episode, die so eigentlich nie hätte passieren dürfen: der Auftritt von Mohammed Khatib, einem führenden Vertreter des antisemitischen Netzwerks Samidoun, an einer Veranstaltung des Revolutionären Aufbaus im alternativen Szenelokal Zentralwäscherei. Der gleichnamige Betreiberverein erhält Subventionen, die Räumlichkeiten im Kreis 5 gehören der Stadt.
«Awareness» wird beim Verein Zentralwäscherei grossgeschrieben, zu den Grundsätzen gehört ein «Umgang, geprägt von Achtsamkeit und Respekt». Samidoun wiederum hat nach den Terroranschlägen der Hamas auf Zivilisten in Israel in Deutschland spontane Freudenfeiern organisiert, Aktivisten skandierten: «Tod den Juden.»
Wie der Stadtrat in einem Beschluss festhält, hat es sich bei der Veranstaltung mit Mohammed Khatib «um einen Missbrauch der sehr liberalen Regeln bei der Vergabe» von Räumen gehandelt, die der Stadt gehörten. «Der Verein ZWZ wurde dazu aufgefordert, alles Notwendige zu unternehmen, damit sich ein solches Ereignis in Zukunft nicht wiederholt.» Sollte es dennoch so weit kommen, werde die Stadt rechtliche Schritte bis hin zur Vertragsauflösung in Erwägung ziehen.
Stadt und Verein sind sich uneinig über Vertragsverletzung
Im März hatte der Stadtrat verlauten lassen, er erachte es als Fehler, dass die Zentralwäscherei Khatib eine Bühne geboten habe. Zu diesem Schluss war er nach längeren informellen Abklärungen und einer per Einschreiben verlangten Stellungnahme des Vereins Zentralwäscherei gekommen.
Aus dieser Stellungnahme, die der Stadtrat nun ebenfalls veröffentlicht hat, geht hervor, dass der Verein den Gebrauchsleihvertrag nicht als verletzt erachtet. Es lägen keine Informationen vor, dass am fraglichen Anlass mit Mohammed Khatib Diskriminierendes oder Terroristisches verbreitet worden sei.
Weiter ist im Schreiben des Vereins zu lesen, Khatib habe im Rahmen einer Veranstaltung zu aktuellen repressiven Tendenzen in Europa die Erfahrung der palästinensischen Bewegung vertreten.
Die Stadt hält derweil fest, die Verantwortlichen des Vereins Zentralwäscherei seien nicht in der Lage, eine Dokumentation des Anlasses zu liefern.
Gegenüber der NZZ schreibt der Verein Zentralwäscherei, es gebe grundsätzlich verschiedene Betrachtungsweisen zu solchen vertraglichen Bedingungen. Diese würden mit der Stadt bilateral geklärt.
Stadt fordert konkrete Massnahmen
Bis Ende April hatte die Stadt der Zentralwäscherei Zeit gegeben, schriftlich über die konkreten Massnahmen zu informieren, die sie künftig umsetzen will. Im Rahmen einer Retraite hat der Verein nun «Richtlinien für politisch motivierte Veranstaltungen» definiert, die der NZZ vorliegen.
Darin enthalten ist ein Fünf-Punkte-Plan, der bei der Vorbereitung von Anlässen mit politischem Hintergrund zum Einsatz kommen soll. Künftig müssen Veranstalter den Verantwortlichen der Zentralwäscherei im Vorfeld des Anlasses den genauen Ablauf bekanntgeben und die Richtlinien der Zentralwäscherei unterschreiben. Des Weiteren werde der Verein «background checks» aller am Anlass involvierten Personen vornehmen.
An Anlässen mit politisch motiviertem Programm will der Verein Zentralwäscherei künftig stets mit mindestens einer Person vor Ort Präsenz markieren, heisst es in den Richtlinien. Dieser Beisitz habe die Befugnis, die Veranstaltung «bei schwerwiegenden Vergehen gegen die Grundsätze des Vereins» abzubrechen.
Wie Heike Isselhorst, Sprecherin des Sozialdepartements, auf Anfrage der NZZ schreibt, wird das Massnahmenpaket der Zentralwäscherei derzeit geprüft. Eine Stellungnahme dazu könne erst nach Abschluss der Auswertung erfolgen.
«Langsam kommt Bewegung in die Angelegenheit.»
Jehuda Spielman sitzt für die FDP im Zürcher Stadtparlament und gehört der jüdischen Glaubensgemeinschaft an. Er hat zur Causa Samidoun in der Zentralwäscherei zwei dringliche Anfragen an den Stadtrat gerichtet. Die Antworten des Stadtrats auf die erste dringliche Anfrage seien sehr knapp ausgefallen und hätten jegliches Verständnis für den Ernst der Angelegenheit vermissen lassen, sagt Spielman. «Deshalb mussten wir im Gemeinderat detailliert nachhaken.»
Er sei erfreut über die Ausführlichkeit des jüngsten Stadtratsbeschlusses, sagt Spielman. «Langsam kommt Bewegung in die Angelegenheit.»
Stutzig mache ihn allerdings, dass der Stadtrat sich zum zweiten Mal in einem zentralen Aspekt vor einer klaren Haltung drücke. «Er verurteilt zwar, dass ein Vertreter von Samidoun in der Zentralwäscherei auftreten konnte.»
Gleichzeitig scheine der Stadtrat sich vor allem dafür zu interessieren, was an einer der Veranstaltung möglicherweise gesagt wurde. Eine komische Haltung, findet Spielman. Es gehe doch nicht nur darum, was ein Samidoun-Vertreter an einer Veranstaltung gesagt habe, sondern darum, wofür diese Gruppierung stehe.
Auch zur Frage, ob Veranstaltungen des Revolutionären Aufbaus Zürich (RAZ) in Ordnung seien, drücke sich der Stadtrat um eine klare Aussage. So schreibt die Stadt zum RAZ einzig, die Organisation sei nicht verboten. Die Verantwortung für Veranstaltungen in der Zentralwäscherei trage der Verein.
Heike Isselhorst bestätigt gegenüber der NZZ, dass die Zentralwäscherei einer Organisation wie Samidoun durchaus eine Plattform geben könne – im Gegensatz zu Deutschland ist die Gruppe in der Schweiz nicht verboten. «Entscheidend ist weniger die Frage, wer an einer Veranstaltung auftritt, als was im Rahmen einer Veranstaltung im Einzelfall passiert.» Konkret müssten die Gesetze eingehalten werden, und es dürften keine diskriminierenden Aktivitäten stattfinden.
Im März hat die Zentralwäscherei Spielman zu einem Gespräch eingeladen. Auch das Sozialdepartement habe ihm ein Treffen vorgeschlagen. Die Einladung werde er bei gegebener Zeit wahrnehmen, sagt Spielman. Ihm sei wichtig, dass die Fragen zu Samidoun in der Zentralwäscherei zuerst öffentlich beantwortet würden.
Schliesslich gehe es nicht um ein privates Problem oder Anliegen, das in einem persönlichen Gespräch «geklärt» werden müsse. «Dass ein von der Stadt subventionierter Verein einer Gruppe wie Samidoun eine Plattform gewährt hat, ist ein schwerwiegendes Problem.» Zu erfahren, wie es dazu habe kommen können, was die Konsequenzen seien und wie eine Wiederholung verhindert werden könne, sei von öffentlichem Interesse.