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Zentralwäscherei steht erneut wegen Antisemitismus in der Kritik

Zentralwäscherei steht erneut wegen Antisemitismus in der Kritik

Aufführung eines problematischen Films – trotz kürzlicher Rüge durch den Stadtrat

Wenige Wochen ist es her, dass der Zürcher Stadtrat den Verein Zentralwäscherei Zürich (ZWZ) wegen einer Veranstaltung mit einem Vertreter des antisemitischen Netzwerks Samidoun gerügt hat. Jetzt sorgt schon wieder ein Anlass für Kopfschütteln und eine dringliche Anfrage im Zürcher Stadtparlament: Am Freitag vor einer Woche wurde in der ehemaligen Grosswäscherei, die der Stadt gehört, der Dokumentarfilm «Israelism» gezeigt. Organisiert wurde der Abend von den beiden Gruppierungen Jüdisch Antikolonial und Alliance for Palestine.

Der Dokumentarfilm hat verschiedene Auszeichnungen erhalten, unter anderem beim San Francisco Jewish Film Festival 2023. Gleichzeitig ist er sehr umstritten. Insbesondere seit den Anschlägen der Terrororganisation Hamas auf Israel vom 7. Oktober. An verschiedenen amerikanischen Universitäten wurden Filmvorführungen deshalb abgesagt oder verschoben.

Die beiden Hauptpersonen im Film – Simone Zimmerman und ein junger Mann, der sich Eitan nennt – sind amerikanische Juden. Von Kindsbeinen an seien sie mit einer unkritischen Begeisterung für Israel indoktriniert worden, welche die Situation der palästinensischen Bevölkerung in den Autonomiegebieten komplett ausblende. Durch persönliche Erlebnisse mit palästinensischen Mitstudenten in den USA und in der israelischen Armee kam für Zimmerman und Eitan die Kehrtwende. Im Film berichten sie davon, wie sie realisierten, dass Israel ein «Kolonialstaat» sei, der ein «Apartheidregime» etabliert habe, um die palästinensische Bevölkerung systematisch zu unterdrücken.

Zimmerman sagt im Film, nie habe jemand in ihrer Gemeinschaft ein Wort zur israelischen Siedlungspolitik oder der «Besatzung» der palästinensischen Gebiete verloren.

 

Stereotyp der Brunnenvergifter

Der Film begleitet palästinensische Friedensaktivisten der Nichtregierungsorganisation Holy Land Trust auf einer ihrer Touristentouren im Westjordanland. Dort habe sie zum erstmals verstanden, dass dort «ganz normale Menschen» lebten, sagt Zimmerman. Die Kamera schweift über die Dächer von Bethlehem. Wohin das Auge reiche, seien jüdische Siedlungen zu sehen, sagt Sami Awad, ein christlicher Palästinenser und Gründer von Holy Land Trust, im Film.

In der vorhergehenden Szene hat Awad den Touristen die Worte eines alten Mannes übersetzt, der von den Konflikten zwischen Palästinensern und israelischen Siedlern berichtet. Diese würden sogar die Versorgung mit Wasser zu sabotieren versuchen, indem sie Steine, Chemikalien oder tote Tiere hineinwürfen.

Juden als Brunnenvergifter – wohl eines der ältesten antisemitischen Stereotypen. So gab man beispielsweise Mitte des 14. Jahrhunderts den Juden die Schuld an der grossen Pest. Darauf folgte die grösste antijüdische Pogromwelle des Mittelalters, der in ganz Europa Hunderttausende von Juden zum Opfer fielen.

 

«Der Film verstärkt Vorurteile»

In «Israelism» wird zwar ausführlich über die Repressionen der israelischen Armee gegen die Palästinenser berichtet. Mit keinem Wort werden hingegen palästinensische Angriffe, die Ideologie der Hamas oder der Islamische Staat thematisiert.

Der jüdische FDP-Gemeinderat Jehuda Spielman findet den Dokumentarfilm äusserst problematisch. Er verstärke das Narrativ und Vorurteil, dass alle Juden weltweit «im gleichen ideologischen Topf» sässen, insbesondere mit den Entscheidungsträgern in Israel. Gleichzeitig spreche er der grossen Mehrheit der jüdischen Menschen die Fähigkeit ab, diese Themen kritisch und mit einem offenen Geist zu verarbeiten. Als ob der jüdische Mainstream insgesamt aus verblendeten und extremistischen Zionisten bestünde, während nur eine winzige Minderheit von (fast) sich selbst hassenden Juden klar denken könne.

Spielman findet es unhaltbar, dass «die Verstärkung solcher Vorurteile, die dann zu Hass und Hassaktionen führen», mit seinen Steuergeldern (mit)finanziert würden. Denn der Verein profitiert von einem Mieterlass in der Höhe von rund 100000 Franken pro Jahr. Zudem hat die Stadt die ZWZ bisher mit fast 800000 Franken unterstützt. Darin enthalten waren Gelder für Umbauten, eine finanzielle Starthilfe, Begrünung und Anlässe.

Die Darstellung von Israel als Kolonialmacht lässt Spielman nicht gelten. «In der Geschichte wurde den Juden oft vorgeworfen, sie gehörten nicht nach Europa und sollten stattdessen in den Nahen Osten zurückkehren.» Ganz im Sinne von «Geht dahin zurück, wo ihr herkommt». Und jetzt, nachdem viele Juden ebendies getan hätten, heisse es, sie gehörten nach Europa, nicht in den Nahen Osten, und man beschuldige sie des Kolonialismus. «Es wäre an der Zeit, dass sich die vereinigten antisemitischen Menschen fix für eine dieser beiden Optionen entscheiden, damit wir uns entsprechend einrichten können», sagt Spielman ironisch.

Zusammen mit zahlreichen Mitunterzeichnenden hat er eine dringliche Anfrage an den Stadtrat gerichtet. Darin fordert er die Veröffentlichung der Stellungnahme der Zentralwäscherei zum Samidoun-Auftritt Anfang Jahr. Zudem will er von der Stadt wissen, wie sie zur Aufführung von «Israelism» steht.

 

Die Stadt schweigt

Das städtische Sozialdepartement gibt sich zugeknöpft. Man sei mit den Verantwortlichen der ZWZ bezüglich der erwähnten Veranstaltung in Kontakt, schreibt die Kommunikationsverantwortliche Heike Isselhorst auf Anfrage. Weil aber derzeit eine parlamentarische Anfrage zum selben Thema hängig sei, könnten im Moment keine Fragen beantwortet werden.

Die ZWZ schreibt, die Anfrage von Jüdisch Antikolonial, ob man den Film zeigen könne, sei Ende Februar eingegangen. Man habe entschieden, dem stattzugeben. Der Film zeige eine jüdische Perspektive, und das Screening wurde von einer jüdischen und einer palästinensischen Organisation gemeinsam durchgeführt. Zudem sei im Rahmen der Veranstaltung keinen kontroversen Personen eine Plattform geboten worden.

Vor dem Film hätten die Veranstalter darauf hingewiesen, dass «Antisemitismus, Islamophobie und jegliche Diskriminierung nicht toleriert werden», schreibt die ZWZ weiter. Anschliessend seien die gut 150 Besucherinnen und Besucher auf die heiklen Aspekte des Themas aufmerksam gemacht worden.

Die Stadt habe die ZWZ aufgefordert, sicherzustellen, dass im Rahmen der Veranstaltung keine diskriminierenden oder sogar strafrechtlich relevanten Äusserungen getätigt würden, schreibt die ZWZ weiter. Dies sei auch dem Verein ein grosses Anliegen. Im Vorfeld habe ein Treffen mit den Veranstaltern stattgefunden, um die Details der Veranstaltung zu besprechen. Man habe gemeinsam Vorkehrungen getroffen, damit der Event «friedlich und diskriminierungsfrei» verlaufe.

Ausführlich wird über Repressionen gegen Palästinenser berichtet, die Hamas hingegen wird nicht erwähnt.

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