Stadt verteidigt Leerkündigung
Städtische Wohnstiftung schmeisst 16 Mietparteien an der Birmensdorferstrasse in Zürich Wiedikon raus.
Die wohl bekannteste Leerkündigung war jene in drei der fünf Sugus-Häuser im Dezember 2024. 105 Mietparteien müssen per September 2025 aus der Siedlung im Kreis 5 raus, es ist eine Totalsanierung geplant. Stadtpräsidentin Corine Mauch (SP) nahm die Petition der Bewohnerschaft persönlich entgegen und versprach, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um eine einvernehmliche Lösung zu finden.
Pikant: Auch die Stadt beziehungsweise eine ihr unterstellte Wohnstiftung hat ihre Erfahrungen mit Leerkündigungen. So hat die Stiftung «Einfach Wohnen» (SEW) ihren zwölf Mietparteien an der Birmensdorferstrasse 191 in Wiedikon per 31. März nächsten Jahres gekündigt. Den Bescheid haben sie kurz vor Weihnachten und nur wenige Tage nach Bekanntwerden der «Sugus»-Kündigungen erhalten. Mittels Anfrage wollten die FDP-Gemeinderatsmitglieder Marita Verbali, Jehuda Spielman und Flurin Capaul vom Stadtrat wissen, wieso.
Projekt «mit dem kleinsten Eingriff»
In ihrer kürzlich veröffentlichten Antwort verteidigt sich der Stadtrat: Die Liegenschaft sei beim Kauf 2018 in einem schlechten Zustand gewesen. Man habe laufend Unterhaltsarbeiten vornehmen müssen. Der Stiftungsrat entschied im Juli 2021 schliesslich, das Gebäude komplett instand zu setzen. Es soll wieder fit werden für die nächsten dreissig bis fünfzig Jahre. Im Dezember erhielt die Mieterschaft einen Brief, im Januar fand eine Informationsveranstaltung statt.
Die Stiftung habe sorgfältig geprüft, ob die Gesamtinstandsetzung auch im bewohnten Zustand, allenfalls in Etappen, möglich wäre. Dies sei jedoch aufgrund der «Tiefe des Eingriffs» und der «Vielzahl an Arbeiten» nicht möglich gewesen. So lasse die Stiftung etwa elektrische Anlagen ersetzen (längere Zeit kein Strom) und die Leitungen sanieren (über mehrere Wochen kein Wasser).
Der Stadtrat spricht vom Projekt «mit dem kleinsten Eingriff». So habe die Stiftung beispielsweise weitestgehend darauf verzichtet, die Balkone zu vergrössern und den Grundriss zu verändern.
Mietzins soll um 17 Prozent steigen
Die Stadt habe der Mieterschaft verschiedene Unterstützungsangebote gemacht, etwa in Form von Ersatzwohnungen aus dem Portfolio der Stiftung und Informationen zu gemeinnützigen Wohngenossenschaften im Quartier. Zudem will die SEW Mieterinnen und Mieter, die nach dem Umbau zurück in ihre Wohnung möchten, bevorzugt aufnehmen. Der Stadtrat schreibt: «Die von SEW umgesetzten Unterstützungsmassnahmen der Mietparteien entsprechen dem von der Stadt Zürich empfohlenen sozialverträglichen Vorgehen bei Ersatzneubauten und Gesamtsanierungen.»
Seit Juli 2021 vermiete die Stiftung ihre Wohnungen an der Birmensdorferstrasse zudem nur noch befristet. Aktuell wohnen im Gebäude zwölf unbefristete und vier befristete Mietparteien. Unter der Mieterschaft befinden sich auch ein Restaurant, zwei Arztpraxen sowie die Geschäftsstelle von SEW.
Bei Privaten sind die städtischen Hände gebunden
Klar ist schon heute: Die Mietpreise an der Birmensdorferstrasse werden steigen, und zwar gemäss Schätzung des Stadtrats um 17 Prozent. Eine 4,5-Zimmer-Wohnung wäre neu 2615 statt 2410 Franken, eine 2,5-Zimmer-Wohnung 1893 statt 1735 Franken monatlich.
Während sich die Stadt bei ihren eigenen Immobilien die Sozialverträglichkeit auf die Fahne schreibt, gibt sie sich bei den privaten Bauträgern machtlos. Diese könne sie nicht dazu verpflichten, sozialverträglich umzubauen, schreibt der Stadtrat in seiner ebenfalls kürzlich erschienenen Antwort auf eine Anfrage der SP-Gemeinderäte Pascal Lamprecht, Patrick Tscherrig und Marco Denoth.
Kauft die Stadt die «Sugus»-Häuser?
So könne der Stadtrat bei der Eigentümerschaft weder eine Sozialplanpflicht bei Leerkündigungen noch eine finanzielle Abfindung für die betroffenen Mieterinnen und Mieter noch eine Unterstützung bei der Suche nach einer Ersatzwohnung einfordern. Der Stadtrat verweist auf das national geregelte Obligationenrecht. Die Stadt könne der privaten Bauträgerschaft soziale Dienstleistungen anbieten – jedoch nur, falls diese dies wünscht.
Bei den «Sugus»-Häusern wollte die Stadt das Zepter in die Hand nehmen. Im Dezember verkündete Stadtpräsidentin Mauch, dass der Kauf der Häuser ein Thema sei. Wie der «SonntagsBlick» im März berichte, reagierte die «Sugus»-Eigentümerin Regina Bachmann gar nicht erst auf ein Gesprächsangebot. Auf Anfrage möchte die Stadt keine Auskunft über «laufende Akquisitionen» erteilen: «Daher können wir Verhandlungen weder bestätigen noch dementieren.»
Derweil sitzt der ehemalige «Sugus»-Verwalter Goran Zeindler weiterhin in Untersuchungshaft, wie die Staatsanwaltschaft Schwyz auf Anfrage bestätigt. Der umtriebige Immobilienunternehmer soll mit verschiedenen Unternehmen Gelder abgezweigt sowie unfertige Baustellen und verärgerte Geschäftspartner hinterlassen haben.